Judentum
Pessach – ein Fest der Befreiung
Am 15. April 2022 beginnt das jüdische Fest Pessach mit dem Sederabend, der meist in der Familie mit symbolischen Speisen begangen wird. „Ich wünsche Jüdinnen und Juden: Chag Sameach oder Pessach Sameach, was so viel heißt wie Frohes Fest oder Frohes Pessach“, so Pfarrerin Andrea Thiemann, die Vorsitzende des evangelischen Arbeitskreises ImDialog für das christlich-jüdische Gespräch in Hessen und Nassau.
Jüdisches Leben und die Schatten des Krieges in der Ukraine
Der Krieg in der Ukraine wirft auch seine Schatten auf das jüdische Leben. "Als der Krieg anfing, haben wir zehn Tage in den Bombenschutzkellern verbracht", berichtet Sasha Malik gegenüber epd-Video (siehe rechte Leiste). Im März 2022 ist die junge Frau mit ihren beiden drei- und siebenjährigen Kindern aus Mykolajiw in der Ukraine geflüchtet. Die kleine Familie gehört zu den rund 3.000 Jüdinnen und Juden, die vor dem Krieg in der Ukraine flüchten. Ihr Mann kämpft weiter in der Ukraine für sein Land. Die jüdische Chabad-Gemeinde in Frankfurt am Main hat schließlich die Mutter mit ihren Kindern aufgenommen. Für ihre Mitglieder beginnt bald Pessach. Pfarrerin Andrea Thiemann erklärt in einem Interview die Hintergründe des jüdischen Festes, aber auch welche Verbindungen es zu Ostern gibt.
Können Sie erklären, was Jüdinnen und Juden an Pessach feiern?
Andrea Thiemann: An Pessach wird eine Woche lang der Auszug des Volkes Israel aus Ägypten gefeiert und an die Befreiung aus Knechtschaft und Sklaverei durch Gott erinnert, so wie es in der Bibel im 2.Buch Mose, Exodus, nachzulesen ist. Bestimmte Speisen und Getränke am Sederabend vergegenwärtigen die Geschichte. So werden z.B. zur Vorbereitung auf das Fest alle Getreideprodukte aus dem Haus verbannt und „ungesäuertes“ Mazzen Brot gegessen, weil vor der Flucht keine Zeit mehr war, das Brot durchsäuern zu lassen. Besonders für die Kinder wird durch die Symbolik der Speisen und das wiederholte Erzählen der Pessach Haggada (Geschichte) das Handeln Gottes am Volk Israel anschaulich und in die Gegenwart transformiert.
Besonders schön hat es die Rabbinerin Offenberg auf der Website `#beziehungsweise: jüdisch und christlich – näher als du denkest´ beschrieben.
Warum ist die Jahrtausende alte Exodusgeschichte auch heute noch so wichtig für das Judentum?
Andrea Thiemann: Von Generation zu Generation wird die Geschichte Gottes mit dem Volk Israel weitergegeben und trägt damit zur Identifikation als Volk Gottes und zur Stärkung jüdischer Identität bei. Im Umgang mit anderen Gruppen wird häufig zu bedenken gegeben, „vergesst nicht, ihr seid selbst Sklaven in Ägypten gewesen“. Aus dieser Erinnerung heraus ergeben sich wichtige ethische Maßstäbe für das eigene Handeln und die Notwendigkeit, Empathie zu entwickeln für Leid und Bedrängnis anderer Menschen.
Auch Jesus hat mit seinen Jüngern vor seiner Kreuzigung noch Pessach gefeiert. Welche Verbindungen sehen Sie zwischen Pessach und dem christlichen Ostern?
Andrea Thiemann: Neben der zeitlichen Nähe zwischen beiden Festen, die sich aus der Historie ergeben, weil Jesus selbst Jude war und im jüdischen Kontext nach Art der Schriftgelehrten seiner Zeit lehrte und lebte und die jüdischen Feste feierte, ist der gemeinsame zentrale Gedanke, dass Gott die Menschen befreit aus allen Zwängen, Versklavungen und sogar vom Tod, dem Tod im und nach dem Leben, wie wir es heute kennen.
Was möchten Sie vor dem Hintergrund der Gespräche, die Sie mit Jüdinnen und Juden geführt haben, anlässlich dieses Festes den Leserinnen und Lesern von ekhn.de mitteilen?
Andrea Thiemann: Der Jude Jesus ist als der Gesalbte Gottes für uns auferstanden ins Leben. Er bildet nicht nur unsere lebendige Brücke zu Gott, sondern auch zu seinem jüdischen Volk. Zwischen Pessach und Ostern bewegen wir uns in einer Zeit des Aufkeimens neuen, befreiten Lebens und neuer Hoffnung. Es ist eine gute Zeit, sich von überkommenen Vorurteilen und Stereotypen zu befreien und sich auf die Suche zu machen nach der gemeinsamen Quelle des Lebens, wie wir sie in den Heiligen Schriften der Hebräischen Bibel z.B. in den Psalmen finden, die wir gleichermaßen in Synagogen und Kirchen andächtig beten.
Vielen Dank für das Gespräch!
#beziehungsweise: jüdisch und christlich – näher als du denkest