Spiegel der Gesellschaft
Spurensuche an der Evangelischen Hochschule Darmstadt
In einem Impulsvortrag skizzierte Prof. Dr. Carola Kuhlmann (EH Bochum) die Entstehung und Entwicklung evangelischer Hochschulen in Deutschland. Der bundesweiten Bildungspolitik folgend wandelten auch die Landeskirchen ihre Höheren Fachschulen 1971 in den neuen Hochschultypus der Fachhochschule um. Kuhlmann ordnete dies in einen „Paradigmenwechsel der Diakonie hin zur evangelischen Sozialethik“, einer „Sozialdiakonie“ ein, die den Menschen in seinen sozialen und institutionellen Bezügen fokussiert. Der Ausbau des Sozialstaats in den 60er/70er Jahren machte eine akademische Professionalisierung diakonischer Arbeit erforderlich. Die Hälfte aller Studienplätze im Sozialwesen seien damals von konfessionellen Fachhochschulen vorgehalten worden.
Praxisnähe
EHD-Präsident Prof. Dr. Willehad Lanwer unterstrich, „dass die Fachhochschulen bzw. HAWs aufgrund ihrer Praxisnähe und Orientierung an klaren Berufsfeldern auch einen wichtigen Beitrag zur sozialen Durchlässigkeit leisten. Im Gegensatz zu den Universitäten stammt hier deutlich mehr als die Hälfte der Studierenden aus nichtakademischen Elternhäusern.“
Gründungsrektorin Waldtraut Krützfeldt-Eckhard wuchs beispielsweise in einem Forsthaus im hessischen Ried auf, berichteten Prof. Dr. Elke Schimpf und Prof. Dr. Birgit Bender-Junker. Sie absolvierte eine Ausbildung zur Säuglings- und Kleinkindpflegerin sowie zur Fürsorgerin, bevor sie ab 1940 eine akademische Laufbahn einschlug.
70er: Ringen um demokratische Strukturen
Dass in der Gründungsphase der Hochschule durchaus um demokratische Strukturen akademischer Selbstverwaltung gerungen wurde, wurde aus Beiträgen teilnehmender Zeitzeug:innen und Ehemaligen deutlich. Studentenproteste gab es wie in der gesamten Bundesrepublik auch an der EHD zu Beginn der 70er Jahre.
Prof. Dr. Alexa Köhler-Offierski, die die EHD von 1994 -2014 führte, sieht in den Absolvent:innen den eigentlichen „Schatz“ der Hochschule: „Viele Ehemalige haben selbst Jahre später noch eine enge Bindung zu ihrer Hochschule. Sie engagieren sich als Lehrbeauftragte im Praxistransfer, vermitteln den Studierenden den unmittelbaren Anwendungsbezug, oder leiten diese in einigen hundert Praxiseinrichtungen in deren studienintegrierten Praktika an.“
Schnittstelle zwischen Staat, Kirche und Praxis
Die Spurensuche verdeutliche, so Tagungsorganisator Prof. Dr. Michael Vilain, Vizepräsident für Forschung und Internationales, dass „die Geschichte der EHD ein Stück weit auch ein Spiegel der Geschichte der Gesellschaft ist. Als SAGE-Hochschule gestaltet die Evangelische Hochschule Darmstadt seit mehr als 50 Jahren eine akademische Lebenswelt an der Schnittstelle zwischen Staat, Kirche und Praxis.“
(Hinweis: SAGE steht für Soziale Arbeit, Gesundheit und Erziehung)